Beschaffung – einfach erklärt für Einsteiger
Du lernst Schritt für Schritt, wie Unternehmen Waren und Dienstleistungen planen, einkaufen, prüfen und rechtssicher abwickeln. Alles in verständlicher Sprache – ohne Vorwissen.
1. Grundlagen der Beschaffung
Sachgüter und Dienstleistungen beschaffen
Einführung
Beschaffung bedeutet: Alles besorgen, was ein Unternehmen braucht – von Papier bis Maschinen, von externen Reinigungsdiensten bis IT‑Support. Ziel ist es, rechtzeitig, in der passenden Qualität und zum guten Preis zu beschaffen.
Warum wichtig?
- Sichert die Lieferfähigkeit gegenüber Kunden.
- Vermeidet Stillstände und Expresskosten.
- Senkt Gesamtkosten über den Lebenszyklus (nicht nur den Kaufpreis).
Praxisbeispiel
Ein Büro braucht neue Laptops. Die Beschaffung klärt Bedarf (Anzahl/Leistung), holt Angebote ein, vergleicht Gesamtpakete (Preis, Garantie, Service), bestellt, überwacht die Lieferung und prüft Gerät + Rechnung.
Schritt‑für‑Schritt
- Bedarf klären (Was? Wofür? Wie viel? Bis wann?).
- Bezugsquellen finden (Hersteller, Handel, Plattformen).
- Angebote anfragen (mit klaren Anforderungen).
- Angebote vergleichen (Preis, Termin, Qualität, Service).
- Entscheiden & bestellen (Bestellung mit Bestellnummer).
- Lieferung verfolgen & Wareneingang prüfen.
- Rechnung sachlich/inhaltlich prüfen & freigeben.
Checkliste
- Klarer Bedarf & Budget vorhanden
- Mind. 2–3 vergleichbare Angebote
- Liefertermin & Zahlungsziel geprüft
- Service/Wartung geregelt
- Freigabe nach Unternehmensregel
Mini‑Übung
Wähle ein Alltagsprodukt (z. B. Druckerpapier). Formuliere eine kurze Anfrage mit: Menge, Qualität (z. B. 80 g/m²), Liefertermin, Lieferadresse, Zahlungsziel, Bitte um Gesamtpreis inkl. Versand.
Merksatz
Die 6R der Beschaffung: richtige Menge, Qualität, Zeit, Ort, Quelle, Preis.
FAQ
Was ist der Unterschied zwischen Sachgütern und Dienstleistungen?
Sachgüter sind körperlich greifbar (z. B. Toner), Dienstleistungen sind Tätigkeiten (z. B. Wartung), die du einkaufst.
Wie viele Angebote brauche ich?
In vielen Firmen sind mindestens zwei, besser drei marktübliche Angebote sinnvoll, um fair vergleichen zu können.
Material‑ und Dienstleistungsbedarf ermitteln
Bevor du einkaufst, musst du wissen, was und wieviel wirklich gebraucht wird.
Aufgaben der Beschaffungsplanung
- Bedarf zeitlich planen (wann wird was gebraucht?).
- Qualität festlegen (Spezifikationen, Standards).
- Make-or-Buy klären (selbst herstellen oder einkaufen?).
- Budget & Freigaben sichern.
- Risiken bewerten (z. B. Lieferausfälle, Preisschwankungen).
Bestandsermittlung
Prüfe vorhandene Bestände (Lager, Büro, Fahrzeuge). Wichtig sind: physischer Bestand, reservierter Bestand (schon verplant) und verfügbarer Bestand.
- Meldebestand: Ab hier neu bestellen.
- Sicherheitsbestand: Reserve für Schwankungen.
Bedarfsermittlung
So bestimmst du die Menge:
- Vergangenheitswerte (Verbrauch pro Woche/Monat).
- Geplante Aufträge (z. B. Stücklisten, Projekte).
- Schätzungen/Forecasts bei Neuartikeln.
Praxis‑Tipp: Kleine Excel‑Liste: Anfangsbestand + Zugang − Abgang = Restbestand → Vergleich mit Meldebestand.
Nachhaltigkeit in der Beschaffung
- Bevorzuge langlebige, reparierbare Produkte.
- Lieferanten mit Umwelt‑ und Sozialstandards wählen.
- Gesamtkosten statt nur Kaufpreis betrachten (Energie, Wartung, Entsorgung).
Nachhaltige Entscheidungen zahlen langfristig auf Kosten, Image und Gesetzestreue ein.
2. Bezugsquellen & Angebotsbearbeitung
Bezugsquellen ermitteln & Auswahl begründen
Typische Quellen: Hersteller, Großhandel, Fachhändler, B2B‑Plattformen, regionale Anbieter. Begründe die Auswahl anhand klarer Kriterien:
Kriterium | Woran erkennst du gute Anbieter? |
---|---|
Preis & Zahlungsziel | Transparente Gesamtpreise, faire Skonti/Ziele |
Qualität & Garantie | Normen/Zertifikate, Referenzen, Servicelevel |
Lieferfähigkeit | Kurzfristige Verfügbarkeit, Planbarkeit |
Nachhaltigkeit | Umwelt-/Sozialstandards, Reparaturservice |
Beschaffungsrichtlinien & Rahmenverträge
- Wer darf was freigeben? (Kompetenzordnung)
- Schwellenwerte (z. B. ab Betrag X zwei Angebote)
- Rahmenverträge nutzen (bessere Konditionen, feste Qualität)
- Dokumentationspflichten beachten
Angebote einholen, prüfen & vergleichen
- Anfrage formulieren: Menge, Spezifikation, Termin, Lieferort, Zahlungsziel, gewünschte Incoterms/Versandart.
- Vergleich auf gleicher Basis (alle Anbieter erhalten dasselbe Anforderungsblatt).
- Bewertung per Punkte‑Schema (z. B. Preis 40 %, Termin 30 %, Qualität 20 %, Service 10 %).
Mini‑Beispiel für Punktebewertung
Anbieter A erzielt: Preis 36/40, Termin 24/30, Qualität 18/20, Service 8/10 → 86/100 Punkte.
Beschaffungsentscheidungen begründen
Dokumentiere kurz: Ziel, geprüfte Angebote, Bewertung, Entscheidung, erwartete Wirkung (Kosten, Qualität, Risiko). Das schafft Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
3. Bestellwesen & Lieferüberwachung
Bestellungen durchführen
- Bestellung enthält: Artikel/Leistung, Menge, Preis, Termin, Liefer‑ & Rechnungsadresse, Zahlungsziel, Ansprechpartner.
- Bestellnummer vergeben & Auftragsbestätigung des Lieferanten prüfen.
- Unterlagen ablegen (digital/analog) – Grundlage für spätere Prüfungen.
Liefertermine überwachen & bei Verzug mahnen
Überwache kritische Termine (Kalender, Listen). Bei Verzögerung: freundlich nachfragen, neue Zusage einholen, bei Bedarf Mahnung senden.
Just‑in‑time‑Methode (JIT)
Lieferung genau zum Verbrauchszeitpunkt. Vorteile: geringe Lagerkosten. Risiken: hohe Abhängigkeit von Lieferpünktlichkeit.
Nicht‑rechtzeitig‑Lieferung – was tun?
- Nachfragen & neuen Termin bestätigen lassen.
- Nachfrist setzen (schriftlich) – sachlich bleiben.
- Interne Folgen abschätzen (Ersatz, Priorisierung).
- Bei Bedarf eskalieren (Abteilungsleitung, Alternativlieferant).
Rechtliche Schritte hängen vom Einzelfall ab. Hole bei Bedarf rechtlichen Rat ein.
Bestellungen mit Wareneingangsunterlagen vergleichen
3‑Way‑Match: Bestellung ↔ Lieferschein ↔ Rechnung. Stimmen Artikelnummer, Menge, Preis, Rabatte, Skonti, Steuer & Lieferadresse?
- Abweichungen schriftlich dokumentieren.
- Erst nach Klärung Rechnung freigeben.
4. Warenannahme & Dienstleistungsabnahme
Warenannahme & Prüfung
- Äußere Prüfung: Verpackung unbeschädigt? Richtige Lieferung?
- Mengenprüfung: Zählen/Messen mit Lieferschein vergleichen.
- Identitätsprüfung: Artikel‑/Chargennummern prüfen.
- Qualitätsprüfung: Sichtprüfung, ggf. Funktionscheck.
- Abweichungen sofort melden & dokumentieren (Fotos, Vermerk auf Lieferschein).
Dienstleistungen abnehmen
- Leistungsnachweis/Protokoll prüfen (Was, wann, wie lange?).
- Vereinbarte Qualität & Ergebnisse vorhanden?
- Rückfragen klären, dann Abnahme bestätigen.
Schlechtleistungen erkennen
Beispiele: Kratzer, fehlende Teile, falsche Ausführung, Terminabweichung. Reagiere zügig: Mangel melden, Nachbesserung/ Ersatz verlangen, Frist setzen.
Differenzen & Abweichungen klären
- Abweichung beschreiben (Fakten, Fotos, Nummern).
- Lieferanten kontaktieren (sachlich, lösungsorientiert).
- Lösung dokumentieren (Gutschrift, Ersatz, Nacharbeit).
- Interne Ablage aktualisieren.
5. Vertragsarten & rechtliche Grundlagen
Hinweis: Dieser Abschnitt dient der Orientierung und ersetzt keine Rechtsberatung.
Rechts‑ & Geschäftsfähigkeit
Geschäfte sind nur wirksam, wenn die Beteiligten rechtlich handeln dürfen. Bei Minderjährigen gelten besondere Regeln. Im Geschäftsalltag handelt meist eine vertretungsberechtigte Person (z. B. Prokura, Handlungsvollmacht).
Rechtsgeschäfte
Ein Vertrag entsteht durch Angebot und Annahme. Formvorschriften beachten (mündlich, schriftlich, digital). Inhalte sollten klar, vollständig und verständlich sein.
Kaufvertrag
- Pflichten Verkäufer: Sache rechtzeitig & mangelfrei liefern.
- Pflichten Käufer: Ware abnehmen & fristgerecht bezahlen.
- Bei Mängeln: Nacherfüllung (Nachbesserung/Ersatz) verlangen, weitere Rechte je nach Situation möglich.
Weitere Vertragsarten (Überblick)
- Werkvertrag: Erfolg geschuldet (z. B. Reparatur mit Ergebnis).
- Dienstvertrag: Tätigkeit geschuldet (z. B. Beratung, Reinigung).
- Mietvertrag: Nutzung auf Zeit (z. B. Gerät mieten).
Verjährung von Forderungen
Forderungen können nach bestimmten Fristen verjähren. Fristbeginn und Dauer hängen vom Anspruch und Gesetz ab. Dokumentiere Termine und prüfe rechtzeitig, welche Frist gilt.
Haftung & Schadensersatz
Wer vertragliche Pflichten verletzt und dadurch ein Schaden entsteht, kann grundsätzlich zum Ersatz verpflichtet sein. Entscheidend sind Vertrag, Gesetz und Nachweise. Frühzeitig schriftlich kommunizieren und Belege sichern.
Glossar
3‑Way‑Match
Abgleich von Bestellung, Lieferschein und Rechnung, um Fehler zu vermeiden.
Meldebestand
Bestand, bei dem eine neue Bestellung ausgelöst werden soll.
Rahmenvertrag
Dauervereinbarung mit einem Lieferanten über Konditionen & Qualität für mehrere Bestellungen.
JIT – Just‑in‑time
Lieferung genau zum Verbrauchszeitpunkt, um Lager zu sparen – bei höherem Terminrisiko.
Nacherfüllung
Reparatur oder Ersatzlieferung bei Mängeln.
TCO – Total Cost of Ownership
Gesamtkosten über die Nutzungsdauer (Kauf, Betrieb, Wartung, Entsorgung).